Heute bin ich nun etwas durch Oslo gestreift.
Ich habe mir zuerst den Oslo Pass besorgt, mit dem ich die nächsten 2 Tage gratis mit den öV fahren kann, und in dem etliche Museen inklusive sind. Danach bin ich los in die Stadt.
Es war Sonntag und das Wetter war angenehm: der Himmel war bewölkt, aber die Sonne drückte durch.
Dies führte zu sehr angenehmen Temperaturen, besonders an der bekannten Aker Brygge Promenade, wo es unter anderem auch einen Yachthafen gibt. Die Leute genossen die Sonne an der Promenade, einige auf ihren privaten Motoryachten.
Zuerst habe ich „The Viking Planet“ besucht. Das ist Norwegens erstes digitales Museum über die Wikinger, ihr Leben, ihre Kultur und ihre Raubzüge.
Das Museum wartet mit Präsentationsformen wie 270 Grad Kino und Hologrammen auf. Und es gibt eine Selfie-Station, in der man sich vor einem freiwählbaren Hintergrund in Wikingerrüstung fotografieren lassen kann. Die Bilder kann man sich entweder per SMS oder al EMail zuschicken lassen. Ich habe das aus Jux einmal ausprobiert. Die Resultate sind auf dem Server…
Meine nächste „Station“ war das Rathaus, das aussieht wie eine Burg. Für mich hat der Bau irgendwie etwas Abschreckendes. Ich möchte weder dort arbeiten, noch hineingehen müssen. Allerdings soll es im Inneren sehr schön ausgestaltet sein. Ich konnte heute aber nicht hinein.
Hier wird jeweils am 10. Dezember der Friedensnobelpreis verliehen. Während alle anderen Nobelpreise in Stockholm verliehen werden, gehört der Friedensnobelpreis den Norwegern.
Gleich gegenüber vom Rathaus steht das Nobel Friedenszentrum (Nobels Fredssenter), direkt neben dem Nationalmuseum. Die Ausstellung dreht sich ausschliesslich um das Thema Frieden und Alfred Nobel. Ich war vor drei Jahren schon einmal da. Aber das ist immer wieder interessant.
Spannend finde ich immer noch den Gegensatz, dass Alfred Nobel als Erfinder des Dynamits (der stabileren Form von Nitroglyzerin) gilt, und in seinem Testament unter anderem die Stiftung eines Friedenspreises („ein Teil an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“) verfügte.
Nachdem ich etwas an der Aker Brygge Promenade gesessen hatte, ging ich zum königlichen Schloss hoch, gerade noch rechtzeitig zur Wachtablösung.
Wenn man der Zeremonie zuschaut, fällt einem auf, dass die Soldaten (und ihre Vorgesetzten), die am Schloss Wachdienst verrichten, sehr jung sind. Dies im Gegensatz zum Beispiel zu den Wachen am Buckingham Palace in London.
Der Grund dafür ist ganz einfach, dass es sich in Norwegen um Wehrpflichtige handelt, die kaum 20 Jahre alt sind, während es in London Berufssoldaten sind, die erst nach einige Dienstjahren zu der Ehre kommen, für den Wachtdienst eingesetzt zu werden.
Eine weitere Besonderheit gegenüber England ist hier der sichtbar grosse Anteil an Frauen, sowohl bei den Mannschaftsgraden wie auch bei den Kadern. Die heutige Wachtpatroullie, die die stehenden Wachen ablöste, bestand je zur Hälfte aus jungen Männern und Frauen, und wurde von einem weiblichen Unteroffizier geführt.
Auch das ist recht einfach zu erklären: Norwegen hat 2015 die Wehrpflicht für Frauen eingeführt.
Auf meinem Rückweg vom Schloss zum Bahnhof traf ich unweigerlich auf etwas, das heute überall in Europa stattfand: dem 1. Mai Umzug.
Sehr gut organisiert und strukturiert: Die einzelnen Gruppen kam schön geordnet hintereinander auf der Umzugsrute daher. Mir kam es ein bisschen vor wie ein Fasnachtsumzug: eine Narrenzuft oder Clique nach der anderen. Alles sehr gesittet und friedlich. Auch die Punks vom schwarzen Block, die als letzte Gruppe am Umzug teilnahmen, fielen lediglich durch laute Musik auf. Musik, die so laut war, dass man ihre skandierten Parolen kaum hörte.
Thematisch wurde auch hier das ganze Repertoire des altsozialistischen Klassenkampfes heruntergespult: „Völker aller Länder vereinigt Euch„, „Solidarität“ (welche war allerdings nicht ganz klar), „Der Kapitalismus ist an allem schuld“ (da marschierten doch tatsächlich welche mit Marx-Schildern). Man sah auch Transparente mit der Forderung „Norwegen raus aus der NATO„, etc.
Und nach den politischen Gruppierungen (weitgehend bestehend aus alten 68ern, ungepflegten Neo-Hippies und Ausländern, die kaum verstanden, weshalb sie hier mitliefen) kamen die ausländischen Minderheiten: Kubaner (die von der Pro Castro Front, nicht die vom Regime verfolgten), Palästinenser, Chinesen, Afghanen und auch die Kurden (mit grossen Öcalan Transparenten).
Und am Schluss (aber immer noch vor dem schwarzen Block) eine grossen Gruppe Ukrainer mit einer riesigen Ukrainefahne.
Und da passierte etwas, das mich beeindruckte: Während die Leute am Strassenrand und in den Cafés dem Umzug mehr oder weniger interessiert zuschauten und den einen oder anderen Teilnehmer bejubelten, standen plötzlich alle an der Strecke auf und applaudierten den Ukrainern. Die Haltung der Norweger zu Putins Invasion in die Ukraine ist hier überall deutlich zu sehen: Riesige Ukraine Flaggen an den Hochhäusern, übergrosse Schriftzüge auf Hügeln (zB in Kristiansund), gelb-blaue Beleuchtungen. So war auch die Reaktion der Menschen.
Alles in allem ein sehr friedlicher Tag ohne Chaoten. Zumindest habe ich nichts mitbekommen. Und dazu kam noch ein weiterer Faktor: Fussball.
Heute fand in Oslo auch noch der Pokalfinal der Norwegischen Meisterschaft statt. Die beiden Fangruppen aus Bodø und Molde bevölkern in ihren gelben resp blauen Shirts die Stadt seit gestern. Allerdings auch hier: Keinerlei Keilereien, trotz heftigem Bierkonsum. Nicht einmal Sprechchöre in der Innenstadt. In den Restaurant sitzen heute Abend Fans beider Mannschaften nebeneinander beim Abendessen, ohne auch nur ein bisschen laut zu werden. Das kenne ich so gar nicht.
Morgen möchte ich noch in den Oslo Reptile Park und eventuell fahre ich auf die Museumshalbinsel. Dort war ich vor drei Jahren im Wikingerschiffmuseum. Das ist aber nun wegen Renovation für fünf Jahre geschlossen. Aber es gibt immer noch das Freilichtmuseum und das Kontiki-Museum. Mal schauen, nach was mir der Sinne stehen wird.
Auch von heute gibt es Bilder auf dem Server. –> Galerie Norwegen 2022